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Vollständige Version anzeigen : 05_Der Bote



Aesculap
23.06.2004, 16:04
Sindl hatte zwei Wochen Zeit, um die Kampfkünste seiner beiden Schüler aufzubessern. Er wußte, welch schwierige Aufgabe vor ihnen lag und daß sie jeden kleinen Trick brauchen würden, den er ihnen in dieser äußerst knappen Zeit vermitteln konnte. Ijo hatte sich in den Jahren zu einem ganz ansehlichen Schwerkämpfer entwickelt. Selbst an den Maßstäben eines Kriegers gemessen, war er nicht schlecht, aber würde es reichen? Er kämpfte mit seinem Verstand und mit einer flinken Hand, die Sindl an seinen eigenen Stil erinnerte. Es war für den erfahrenen Krieger einfach, die Fehler und Schwachstellen seines Sohnes aufzuzeigen und Ijo lernte erstaunlich schnell - schneller als viele seiner anderen Schüler. Allerdings, im Gegensatz zu dem Hochelfen, war das mit Mühe und Anstrenung verbunden. Othender hingegen hatte eine Art Begabung dafür. Sindl schien es beinahe so, als wäre das Schwert die natürliche Verlängerung des Armes seines zweiten Schülers. Oth kämpfte mit seinem Instinkt. Es war für den erfahrenen Krieger eine Herausforderung, gegen den unberechenbaren Hochelfen anzutreten. Sindl fand es beinahe unmöglich, den nächsten Schritt seines Schülers vorauszuahnen und je länger sie trainierten, umso flüssiger wurden Oths Bewegungen. Allerdings hatte der Hochelf Probleme damit, neue Techniken zu erlernen. Es schien so, als wäre Oth mit seinem jetzigen Repertoire quasi auf die Welt gekommen und unfähig, dem neue Attacken und Bewegungsmuster hinzuzufügen. Der Hochelf versetzte Sindl dadurch des öfteren in rasende Wut, aber gleichzeit s****te es den Waldelfenkrieger noch mehr an, seinem Schüler die neuen Taktiken einzubläuen.

Sindl Talonclaw war von dem haarigen Hochelfen überhaupt äußerst fasziniert. Elytan Starwatcher hatte ihn darauf hingewiesen, daß er niemandem Auskunft über seinen Gast geben sollte und er nach Außen hin weiter als Mensch zu gelten habe. Das alleine hätte schon gereicht, um die Neugierde des Kriegers zu wecken. Was wußte dieser Hochelfenheiler, der schon etliche Monate hier bei den Barden zu Gast war und sich durchfüttern ließ? Wenn Othender tatsächlich inkognito im Auftrag des Königs unterwegs war, warum wußte ein einfacher Kleriker davon? Außerdem war dem Krieger die Anziehung nicht entgangen, die der Hochelf sowohl auf seine Tochter, als auch auf seinen Sohn ausübte. Ijo verteidigte seinen neuen Freund mit solchem Eifer, daß sich Sindl insgeheim fragte, ob da mehr zwischen den beiden war. Die beiden schienen sich wirklich sehr gut zu verstehen und um so mehr erstaunte es den Krieger, daß sie unfähig waren, ihre Kampfstile aufeinander abzustimmen und so zu einem gemeinsamen Stil zu finden. Sindl wußte, daß ihnen noch einige, schwierige Kämpfe bevorstanden und sie die nur gemeinsam gewinnen konnten.

Zwei Wochen sind an sich schon eine sehr kurze Zeit, um einen Krieger in Hochform zu bringen, aber dann auch noch zwei Nicht-Krieger... Sindl gab sein Bestes und obwohl sich auch seine beiden Schüler redlich abmühten, waren sie am Ende der Zeitspanne noch nicht so weit, wie der Waldelfenkrieger es gerne gesehen hätte. Aber es war jetzt keine Zeit mehr. Sie mußte mit dem wenigen zurecht kommen, das er ihnen mit auf den Weg geben konnte - warum überhaupt die beiden? Warum wurden keine Champions seiner Gilde für diese gefährliche Aufgabe ausgewählt? Wieder so eine Frage, auf die es keine Antwort gab und die Sindl nicht mehr los ließ. Aber so gesprächig die Barden sonst auch waren, in dieser Beziehung wollten sie ihm einfach keine Auskunft erteilen.

Am Ende ihres letzten Übungstages führte Sindl die beiden Elfen zu seiner Gilde. Er hatte beschlossen, die beiden aus dem Fundus der Krieger auszurüsten. Mit ihren zerschlissenen Lederrüstungen und einfachen Metallschwertern würden sie seiner Meinung nach nicht allzu weit kommen. Zu dritt betraten sie also die Ausrüstungskammer, in der all die Rüstungen und Waffen lagerten, die die Kriegergilde im Laufe der Jahre erbeutet oder geerbt hatte. Jeder neue Krieger bekamm ein Stück als Geschenk, aber es gab auch so wertvolle Gegenstände, daß sie ganz hinten in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt wurden. Nur die Gildenmeister hatten das Recht, ein solches Stück zu verleihen. Sindl öffnete den Kasten und reichte seinem Sohn einen Säbel. Einfach von der Machart her, aber aus verzaubertem Metall geschmiedet, das niemals stumpf und schartig werden würde. Auch für Othender hatte er eine Waffe. Schon seit vielen Jahrzehnte lagerte hier ein Schwert, zu groß und klobig für die Waldelfen, aber genau richtig für den breiten Hochelfen. Ein Bastardschwert aus dem ewigen Eis. Seine Klinge war aus einem leicht durchscheinenden Material gefertigt und fühlte sich immer kalt an. Ijo und auch Othender bedankten sich bei dem Krieger für die beiden Leihgaben und betrachteten ihre neuen Waffen genau. Sindl ließ ihnen allerdings nicht allzu viel Zeit, sondern öffnete den zweiten Schrank, in dem diverse Rüstungen aufbewahrt wurden. Er wußte inzwischen, daß die beiden Leder zwar bevorzugten, aber Sindl war der Meinung, daß sie durch Ringpanzer weitaus besser geschützt wären, also wählte er zwei entsprechende Teile aus. Ijo reichte er eine Ringmailtunika, die teilweise mit kleinen Stacheln versehen war, die den Gegner verletzen konnten. Sindl wußte, daß diese Rüstung so verzaubert war, daß sie seinen Sohn widerstandsfähiger und auch ein wenig stärker machen würde. Es war ein sehr gutes Stück und der Krieger hoffte, daß es dem kleinen Barden das Überleben leichter machen würde. Für Othender hingegen wählte er eine Rüstung, von der er wußte, daß sie zwar die Schläge der Feinde nicht ganz so gut abhalten konnte. Dafür allerdings würden die Wundes des Hochelfen damit rascher heilen. Sindl hatte die zwei Wochen Othenders teilweise kopflosen Kampfstil zur Genüge kennengelernt und wußte, daß dem großen Hochelfen noch zahllose, schmerzhaft Verletzungen bevorstanden.

So ausgerüstet erschienen die beiden am nächsten Morgen vor den Gildenmeistern der Barden. Sindl begleitete sie zwar noch bis zum Gebäude, dieses Mal allerdings durfte er nicht hinein. Das folgende Gespräch würden nur sehr wenige Ohren hören. Er wünschte den beiden alles Gute, sicher, die so rasch nicht mehr wieder zu sehen, und ging mit nachdenklicher Miene wieder zurück, über die Hängebrücke, in Richtung seines Hauses.