An einem der robusten Holztische in Nagafens Flamme saß Zuka und starrte offensichtlich gedankenverloren den Mopp an, mit dem er noch vor einer halben Stunde den eingetrockneten Alkohol und einige Essensreste vom letzten Abend in der Taverne zusammengewischt hatte. In seiner rechten Hand hielt er einen verdreckten, leicht feuchten Lappen, in dessen Fasern sich allerlei Krümel verfangen hatten.

Das hatte er zwar schon oft genug gemacht, dennoch war für ihn dieser Tag anders. Nicht wie sonst hatte er seine Arbeitskleidung an, sondern hatte seine Arbeit in der edel gefertigten Kettenrüstung erledigt, die er vor einiger Zeit als Geschenk erhalten hatte. Nachdenklich legte er den feuchten Lappen zur Seite und griff mit der nun freigewordenen Hand nach dem Kurzschwert an seiner Taille, zog es aus dem Schaft und hob es vor sein Gesicht, während er es von allen Seiten betrachtete. Ein leichtes Lächeln war in seinem ansonsten schwermütigen Gesichtsausdruck zu erkennen, als Zuka einen Finger über die Schneide gleiten ließ und im Anschluss die Schnittwunde betrachtete.

Das war sein erstes eigengefertigtes Schwert – etwas ganz besonderes. Obwohl er nie jemandem davon erzählt hatte, hatte er dieser Waffe sogar einen Namen gegeben, da sie ihm so gute Dienste leistete. Weit entfernt von der Perfektion eines meisterhaften Waffenschmiedes war der Ratonga dennoch unglaublich stolz, das er etwas so Schönes geschaffen hatte. Das Metall schimmerte im diffusen Schein der auf dem Tisch aufgestellten Kerze, während die wenigen porösen Stellen der Waffe je nach Betrachtungswinkel leicht glitzerten.

Das Lächeln des jungen Ratongas wandelte sich in ein bissiges Grinsen, als ihm nur ein Wort durch den Kopf schoss ...

„Unvollkommen...“.

Es war schwer für Zuka seine Gedanken in diesen Momenten zu ordnen. Schnell stellte sich wieder der fast traurige Gesichtsausdruck ein, der ihn an diesem Abend so treu begleitete – so viele Erinnerungen schossen durch seinen Kopf, beinahe sein ganzes Leben ließ er Revue passieren. Es kam ihm fast unwirklich vor, wie er einst, vor so vielen Jahren sein Überleben sicherte indem er Botenjunge spielte, teilweise für berüchtigte Bandenchefs in und um Freihafen.

Wie die Iksar und die Kerra nach ihm geiferten, die Dunkelelfen und Eruditen ihn abschätzig betrachteten, die Trolle kein Wort mehr herausbrachten und so aussahen als würden sie lieber gleich einen Kochtopf aufsetzen. Für einen Moment überlegte Zuka, dass dies doch eine schöne Zeit war, verwarf diesen Gedanken aber bald wieder als er genauer darüber nachdachte.

Er zog den Dolch an der anderen Seite seiner Taille aus dem Schaft und legte ihn auf den Tisch, ihn mit der Spitze seines Kurzschwertes herumschiebend.

Wie ihn Xima nach Freihafen zurückbrachte und ihn zum ersten mal an diesen Ort schickte – die Taverne „Nagafens Flamme“ in Nord-Freihafen. Damals war er unglaublich nervös, als er mit fast nichts in seinen Taschen, nur notdürftig gepflegt vor Talktalk und Fhayd trat und sich vorstellte – in so einem edlen Ambiente kam er sich damals Fehl am Platze vor und die schlimmsten Gedanken bahnten sich ihren Weg durch seinen Kopf. In der Vergangenheit hatte Zuka die Erfahrung gemacht, das er eher davongejagd werden würde als das ihm jemand wenigstens ein wenig Respekt entgegenbringen würde.

Aber es kam anders – sie gaben ihm zu Essen, einen guten Job und darüber hinaus bildeten sie ihn zu einer Bedienung aus, wobei er darin eher schlecht als recht war.

Der Ratonga dachte über die vielen Abende in der Taverne nach, über unheimliche Begegnungen der dritten Art und wie er nach einiger Zeit seine Furcht den Iksar gegenüber überwinden konnte. Er dachte über Queek nach und die Kerradame Chrisssi und erinnerte sich gerne daran, wie oft er mit einem Grinsen im Gesicht einfach ihren Gesprächen lauschte.

Zuka dachte an Talktalk, der ihn immer umarmte wenn er ihm begegnete. Und über Fhayd, die es sich nicht nehmen ließ, ihm durch die Haare zu wuscheln.

Er dachte an Yosh und Jaraxle, an den Ratonga der ihn immer aufheiterte und selbst in schwierigsten Zeiten an seiner Seite stand und an den Dunkelelfen, der ihm geholfen hatte ein wenig Vertrauen in das Volk der Teir'Dal zu gewinnen.

Ein weiteres mal überlegte der Ratonga, das dies eine schöne Zeit gewesen wäre – und seinem Unterbewusstsein blieb nichts anderes übrig, als ihm zuzustimmen. Grafschaften kamen an diesem Ort zusammen, zusammen mit der Miliz und vielen anderen Leuten, die oft so schienen, als hätten sie etwas zu verbergen. Er hat gerne die Taverne auf Vordermann gebracht, das machte ihn glücklich.

Aber nun war die Zeit der Abrechnung gekommen ...

Ximasal stand schon eine ganze Weile am Eingang und schaute Zuka dabei zu, wie er – umgeben von Mopp, Lappen und glänzenden Waffen, einsam an seinem Tisch saß und nachdenklich mit den Fingern die Muster der Tischplatte nachzeichnete. Als Zuka ihn bemerkte, hob er den Kopf und nickte, bevor Xima ansetzte.

„Der Blutschuppen-Clan wurde in Maj'Dul ausgemacht. Es ist Zeit, Zuka ...“

Zuka nickte nur und schob seine Waffen in den Schaft, während Ximasal ein paar Schritte näher kam und sich auf der blankpolierten Theke abstützte.

„Herzog Qubic lässt uns alle Unterstützung zukommen, die er entbehren kann.“

Ximasal lächelte mit zusammengekniffenen Augen als er dies sagte und ließ Zuka so sehr genau wissen, was in seinen Gedanken vor sich ging. Dieser nickte nur zufrieden, bevor Xima mit einem deutlich entspannteren Ausdruck fortsetzte.

„Du bist dir sicher das du das durchziehen willst?“

Zuka hob den Kopf und guckte seinem Mentor nur in die Augen – zwar war die Antwort schon vorher klar, aber die Verbissenheit in dem Blick seines Schülers, seines Freundes, ließ Ximasal nur bedeutungsschwanger nicken.

„Ich habe nichts anderes erwartet, Zuka ...“.

Der jüngere Ratonga erhob sich langsam, als würde er jede seiner Bewegungen vorher überdenken, nahm den Mopp und den Lappen und stellte beides hinter die Theke.

„Ich möchte das sie Leiden – sie sollen das erleben, was sie mir angetan haben.“

Ximasal reagierte nicht, er ließ sich selten anmerken was er dachte, aber dem jungen Ratonga war klar das er in dieser Hinsicht voll und ganz auf seinen Mentor vertrauen könne. Er wusste, das Ximasal ein Händchen für einen langsam und schmerzvollen Tod hatte, selbst wenn sich dieser über Tage strecken mochte.

Als sie zusammen die Tavernentür ein letztes mal durchschritten, drehte sich Zuka um und betrachtete diesen ihm so vertrauten Ort, während all diese Erinnerungen an seine Freunde wieder durch seinen Kopf gingen. Er fühlte die Hand seines Mentors auf seiner Schulter – Xima kannte ihn zu gut, er wusste sehr genau was in ihm vorging.

„Wie lange werden wir weg sein, Xima?“

Der ältere der beiden Ratonga dachte einen Moment nach, einer der wenigen Augenblicke in denen die Gefühlskälte aus seinen Augen zu weichen schien.

„So lange wie es dauert ...“

Zuka lächelte und seufzte zugleich, als er einen Schritt zurücktrat und die Türe hinter sich schloss. Die beiden Ratonga gingen ihren Weg und verließen Freihafen noch am selben Abend, der Tag der Abrechnung stand kurz bevor.