Die Gefährten des Drachen


Wie ihr wisst sind wir Eruditen das Volk der Gelehrten und Schreiber. Und deshalb zieht es auch mich immer wieder in die Hallen der alten Bibliothek, wo ich im Kerzenschein Schriftrollen aus Zeiten, lange vor dieser, studiere.
Meist treffe ich dort auf meine alten Freunde, ein Erudit namens Oylrun und Kalrama, ein Tunarepriester. Doch gestern war ich alleine zwischen all den Aufzeichnungen, Landkarten und Schriften der alten und der neuen Sprache.
Als ich so nun letzte Nacht, des Schlafes übermächtig, wieder einmal mit dem Kopf in eine große Anzahl staubiger Schriftrollen gesunken war, suchte mich ein seltsamer Traum heim.


Ich stand auf einem Schlachtfeld das soviel Blut darbot, dass sich die Erde damit tränkte. Ich glaubte die Todesschreie der Opfer dieser Schlacht zu hören und hielt mir die Hände an die Ohren, um diese unsäglich klagende Schreie aus meinem Kopf zu bannen.
Meine Augen wanderten von einem Toten zum andern. Ich sah die Gliedmaßen die abseits der Körper lagen und ein bleierner Geschmack machte sich in meinem Mund breit.

Mitten in dem riesigen Berg aus Köpfen, Rümpfen, Armen, Beinen, und dem nie zu enden scheinendem Quell aus Blut, das den Boden entlang kroch wie ein Strom aus Lava, sah ich eine große Gestalt, die sich in einem strahlenden Glanz von all dem Elend abhob.
Wie gebannt starrte ich auf dieses Etwas und spürte den Sog einer Magie die mir bisher fremd war. Ich folgte diesem Sog und meine Beine stiegen ohne mein Dazutun über die Berge der Leichen und hielten erst an, als ich vor etwas stand, dessen Äußeres mit der Sonne um die Wette strahlte. Als ich nur noch einen Schritt davon entfernt zum Stehen kam, konnte ich erkennen, dass hier ein Drache lag, dessen Antlitz mich in seinen Bann zog.
Sein letzter Lebensodem war entwichen und dennoch strahlte er soviel Schönheit aus, wie ich es bei einem lebenden Geschöpf noch niemals gesehen hatte.
Seine Schuppen spickten tausende von Pfeilen, die ihm tiefe Wunden zugefügt und das Leben genommen hatten. Doch kein einziger Blutstropfen klebte an den goldglitzernden Schuppen. Stattdessen rann eine winziger Fluss goldgelb glänzender, gelartiger Substanz unter ihm hervor, die genau wie seine Schuppen so hell strahlte, dass es im Tageslicht blendete.

Ich suchte gedankenverloren etwas in meinen Taschen. Erst als ich ein Glasröhrchen in der Hand hielt wurde mir bewusst, dass meine Hände nicht mehr meinem Verstand gehorchten, sondern von anderer Macht geführt wurden. Ich sah verwirrt und gebannt zu, wie ich mit einem kleinen Spatel etwas von der goldenen Flüssigkeit in das Glas füllte und danach ein Stück Stoff von dem Saum meiner Robe abriss. Meine Hände glitten über den Kopf des Drachen und fanden eine abgebrochene Schuppe unter dem linken Auge. Unfähig meinen Händen meinen eigenen Willen aufzuzwingen, packten diese die Schuppe vorsichtig in den Stoffstreifen.

Plötzlich erhob sich der Drache. Ich zuckte zusammen! Ließ mich nun mein Verstand im Stich? Der Drache war tot, wie konnte er sich erheben? Ich kniff die Augen zusammen, schüttelte heftig meinen Kopf, um meinen Verstand wachzurütteln und öffnete wieder meine Augen.
Aber nein der Drache lag wie zuvor am Boden vor meinen Füssen, jedoch sein Abbild schwebte als Lichtquelle über ihm. Ein Stückchen hinter dem Drachen erhob sich eine zweite Lichtquelle, in Gestalt eines Menschen und beide erhoben sich gen Himmel. „Ich muss träumen“, sagte ich mir. „Ich träume ganz bestimmt!“

Als sich beide Gestalten einige Meter über mir befanden, sprach eine Stimme zu mir:
„Unsere Zeit ist abgelaufen und wir haben unsere Aufgabe erfüllt. Gwybryn der letzte Nachkomme der Drachen und ich, Lothar, Paladin des Alten Ordens erklären euch zum
Bewahrer der „Gefährten des Drachen“. Nun ist es an euch Norrath zu beschützen und die Gefährten des Drachen neu zu formieren. Mögen euch die Sterne den Rechten Weg weisen und euch vor allem Unheil bewahren, mein Freund.“

Ich musste niesen und alles um mich herum verschwand. Nochmals kniff ich die Augen zusammen und schüttelte heftig meinen Kopf, als mich ein plötzlicher Schmerz ergriff und ich ruckartig die Augen öffnete. Ich hatte mir den Kopf an der Tischkante gestoßen und der Staub der Schriftrollen kitzelte in meiner Nase.
Was war das für ein wirrer Traum? Vermutlich hatte ich doch mal wieder zuviel Eichenrindenextrakt unter meinen Tee gemischt, bevor ich mir dieses bittersuesse Getränk einverleibte. Immer noch reizte mich der Staub in der Nase und ich zog ein Tuch aus meiner Tasche um zu schnäuzen. Kaum geschehen schrie ich wimmernd auf. Blut tropfte von meiner Nase und ich starrte verwundert auf das Tuch. Was war das? Ein Streifen aus dem Stoff meiner Robe? Darin lag eine goldglänzende Drachenschuppe, die messerscharf an den Rändern, mir einen Schnitt in die Nase zugefügt hatte.

War das doch nicht alles nur ein Traum? Hastig durchsuchte ich meine Taschen und fand sogleich das Glasröhrchen. „Der alte Orden, … der letzte Drache“ stammelte ich vor mich hin.
Ich starrte auf die Schriftrolle über der ich wohl eingeschlafen war. Hier war sie! Die Aufzeichnung dessen was damals geschehen war:
Gwybryn, der Letzte der Drachen, der erst von seiner Familie verstoßen wurde und später vom Rat Norraths für die Missetaten seiner Vorfahren geächtet und verbannt wurde.
Lothar errettete ihn aus den Händen einiger Drachenjäger und sie schlossen sich zusammen im Kampf für das Gute und gegen den Dunkellord Uther.
Viele Völker schlossen sich diesem Kampf an und zusammen waren sie die „Gefährten des Drachen“ deren Ziel, alleinig das Gute zu erhalten und das Böse zu vernichten, war.
Viele ließen in dieser letzten Schlacht gegen Uther und sein Heer ihr Leben. So auch Lothar und Gwybryn. Doch das Böse war besiegt!

Und heute? Viele Zeitalter später.
Uther ist tot doch sein Vermächtnis bringt heute Lucan D´Lere in unsere Welt. Das Böse versucht die Herrschaft abermals an sich zu reißen. Und es liegt an uns allen, dem Bösen Einhalt zu gebieten.

Es gibt viel zu tun!
Wie sagte Lothar? Ich muss die Gefährten des Drachen neu formieren. Und dann werden wir gemeinsam für das Gute einstehen und Seite an Seite dem Treiben von Lucan D´Lere ein Ende setzen.